Zivilschutz: Wie viel Schutz kann die Regierung leisten?
In Deutschland ist das BBK (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe) für den Bevölkerungsschutz / Zivilschutz zuständig. Bund und Länder sind gemäß Artikel 73 des Grundgesetzes im Verteidigungsfall für den Schutz der Zivilbevölkerung verantwortlich. Mit dem Zivilschutzkonzept regelt das BBK staatliche Maßnahmen in Katastrophenfällen und spricht Handlungsempfehlungen für die Bevölkerung aus. Wenngleich der nachfolgende Beitrag sich vornehmlich auf den Zivilschutz in Deutschland bezieht, gelten die meisten Belange auch für unsere Nachbarn in der Schweiz, in Österreich und in Luxemburg.
Aufruf zu eigenverantwortlichem Zivilschutz an die Bevölkerung
Seit 1989 hat das BBK erstmals die Bevölkerung aufgerufen, eigenverantwortlich Krisenvorsorge zu betreiben. Offiziell wird diese Notwendigkeit damit begründet, dass Bürger einen Zeitraum von 5 bis 12 Tagen überbrücken müssen, bis die staatliche Versorgung im Verteidigungsfall bzw. im Katastrophenfall über das gesamte Bundesgebiet erfolgen kann.
Die Bürger sollen für diesen Zeitraum ausreichend Nahrung, Getränke, Hygienemittel, Arzneimittel Vorrat, Bargeld usw. vorrätig haben, da im Krisenfall die regionale Versorgung nicht vorhanden ist. Die Empfehlung zur Einlagerung und Vorratshaltung an sich ist keine Neuigkeit. Mehr Aufmerksamkeit hat der Informationsteil verdient, in dem die Regierung einräumt, dass alle bisherigen Zivilschutzmaßnahmen überhaupt nicht ausreichend seien.
Regierung räumt ein: Keine ausreichenden Zivilschutzmaßnahmen
Die Gefahren haben sich im Laufe der Jahre geändert. Zahlreiche Gefährdungsmöglichkeiten von Pandemie über Umweltkatastrophe bis hin zu Terroranschlägen und atomaren, biologische, radioaktiven oder chemischen Angriffen stellen potenzielle Ereignisse dar, in denen die Zivilbevölkerung auf den Schutz und die Hilfe der Regierung angewiesen ist. Die Deutsche Bundesregierung hat nun eingeräumt, dass bisherige Zivilschutzmaßnahmen überhaupt nicht reichen, um im Gefahrenfall die Bevölkerung zu schützen und Hilfsmaßnahmen einzuleiten.
„Es fehlt die hinreichende Zivilverteidigungsfähigkeit mit vielen Facetten.“
Mit diesen Worten wird bereits im Februar 2015 (!) der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungs- und Zivilschutz, Christoph Unger zitiert.
Konkret bedeutet dies:
- Ausreichend staatliche Versorgung im Kriegsfall oder bei Katastrophen ist nicht gegeben.
- Die staatlichen Lebensmittelvorräte sind nicht ausreichend für die Gesamtbevölkerung.
- Es stehen keine Schutzbunker für die Bevölkerung zur Verfügung.
- In der BRD gibt es aktuell keine funktionierenden Rettungssysteme bei größeren Ereignissen.
- Innerhalb Deutschlands ist keine ausreichende medizinische Versorgung im Notfall gewährleistet.
Deutscher Zivilschutz überhaupt nicht mehr zeitgemäß für aktuelle Gefährdungslagen
Das alte Zivilschutzkonzept basiert auf alten Entwürfen, die längst nicht mehr zeitgemäß sind. Computer-Zeitalter, neue Technologien, neue Waffen, effizientere Massenvernichtungswaffen sowie die Abhängigkeit an computerunterstützte Techniken und Alltagsgeschäfte, höhere Bevölkerungsdichte, kaum mehr vorhandene autarke Lebensweisen und zahlreiche weitere Faktoren stellen heute weitaus komplexere Anforderungen an den Zivilschutz, als noch vor einigen Jahrzehnten.
BRD: Alte Bunker geschlossen – neue Bunker nicht geplant
Nach derzeitiger Lage besteht kein umfassender Zivilschutz für die Bürger Deutschlands! Die Bundesregierung hat alte Schutzbunker aus Kostengründen aufgegeben, die ohnehin technisch nicht mehr zum Schutz gegen moderne Angriffsgefahren wirksam sind. Neue Schutzbunker, angepasst auf heutige Gefahren, wurden gar nicht erst gebaut. Im Falle eines Angriffs mit schlagkräftigen ballistischen und atomaren Waffen ist kein Bevölkerungsschutz möglich!
Mit dem neuen Zivilschutzkonzept, das am kommenden Mittwoch von der Regierung abgesegnet wird, von dem jedoch noch keine neuen Inhalte näher bekannt sind, will die Bundesregierung Deutschland vermutlich einige der eklatanten Lücken im Bevölkerungsschutz schließen und Innovationen vorstellen. Zumindest bleibt das zu hoffen übrig, denn sonst stehen die Bürger Deutschlands ohne Hilfe dar, wenn eine konkrete Gefährdungslage oder Gefahrenlage eintritt.
Bundesregierung: Vollends überfordert mit Zivilschutz?
Davon ist auszugehen. Nicht nur, was Schutzbunker anbetrifft. Auch die Verteidigung der BRD. Der marode Zustand der deutschen Verteidigungsmittel, die sozialen Netzwerke waren gefüllt von sarkastischen Beiträgen, ist nur ein Beispiel, wie wenig die BRD im Kriegsfall oder terroristischen Angriffsfall überhaupt effizient handlungsfähig ist. Flugunfähige Kampfflieger, nicht fahrtaugliche Fahrzeuge und Waffen, die funktionsfrei sind – so lässt sich der Zustand der deutschen Verteidigung zutreffend beschreiben.
Es kommt noch schlimmer:
- Sirenen sollen von der Regierung abgebaut worden sein.
- Die Notvorräte sollen durch die Regierung aufgelöst worden sein.
- Alle Schutzbunker für die Zivilbevölkerung sollen von der Regierung geschlossen worden sein.
Diese Abbau-Maßnahmen sollen unmittelbar nach Ende des Kalten Krieges beschlossen und durchgeführt worden sein. Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungs- und Zivilschutz, Christoph Unger, teilte der BILD in Februar 2015 mit, es sei nach dem Kalten Krieg viel in Katastrophenschutz investiert worden, aber …
„Für den Fall einer Bedrohung von außen sieht das schlechter aus.“
Und dann auch noch das:
„Die technische Alarmierung haben wir gerade weiter optimiert. Was wir nicht getan haben, ist darüber mit der Bevölkerung zu reden. Was machen denn die Menschen im Fall der Warnung vor einer anfliegenden Rakete?“
So Christoph Unger weiter im Interview.
Eine Instandsetzung alter Atombunker, Modernisierung alter Schutzbunker oder gar Neubau von Atomschutzbunkern waren im Februar 2015 nicht vorgesehen und sind bisweilen nicht erfolgt.
Bundesamt: Schutzräume aus Zivilschutzbindung entlassen
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe schreibt hier folgendes:
„Die bestehenden öffentlichen Schutzräume, die durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe verwaltet werden, sowie die daneben bestehenden privaten Schutzräume werden nach und nach aus der Zivilschutzbindung entlassen. Nach Abschluss eines abgestimmten Rückabwicklungsverfahrens stehen sie den Eigentümern zur uneingeschränkten Verwendung und Verwertung zur Verfügung.
Dieses Rückabwicklungsverfahren führt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe seit 2009 in mehreren Phasen durch. Bis zur Rückabwicklung eines jeden Schutzraums findet eine rein bauliche Bestandserhaltung und minimale Bewirtschaftung statt.
Auch wenn bis zur Aufhebung der Zivilschutzbindung nach wie vor für alle öffentlichen Schutzräume das gesetzlich vorgegebene bauliche Veränderungsverbot gilt, finden weder die Bautechnischen Grundsätze Anwendung, noch werden Verwendungsbescheinigungen für die Prüfung und Zulassung von Einbauteilen der Schutzraumtechnik durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe erstellt. Sämtliche bestehende Verwendungsbescheinigungen wurden zum 31.12.2008 widerrufen.“
Die Lage ist mehr als nur ernst. Die Bundesregierung ist mit dem Zivilschutz nicht nur überfordert, sondern es gibt ihn gar nicht. Hinzu kommt, dass die Bürger überhaupt nicht realisieren, dass sie im Angriffsfall auf sich alleine gestellt sind und dass sämtliche bisherigen Lebensgewohnheiten keinesfalls das Überleben sichern.
Weder können sich Bürger bei einer ernsthaften Gefahrensituation umfassend informieren, weil davon auszugehen ist, dass weder Handy, Festnetztelefon noch Internet, Radio oder Internet zur Verfügung stehen (weil alle Geräte von Strom abhängig sind) noch die Menschen wissen, wie sie sich in Gefahrenlagen selbst retten können. Bürger müssen sich selbst um ihr Überleben kümmern und eigene Überlebensstrategien entwickeln.
Deutsche Bevölkerung im Ernstfall auf sich alleine gestellt
Vergangene Katastrophen wie z. B. Hochwasser haben gezeigt, dass die Bevölkerung ohnehin bis zu zwei Wochen und teilweise länger auf Katastrophenhilfe warten muss und diese nur schleppend ins Rollen gerät. Hochwasserkatastrophen sind – gemessen an drastischeren Gefahren – noch verhältnismäßig überschaubar und betreffen nicht das gesamte Bundesgebiet. Nicht auszudenken also, wenn die Regierung Zivilschutz bundesweit leisten muss oder gar ganz Europa betroffen wäre. Die Bevölkerung wäre auf sich gestellt und stünde im Ernstfall alleine dar.
Update Juli 2021: Katastrophenschutz warnt nicht ausreichend vor Hochwasser
Im Sommer 2021 wütet das Jahrhundertwasser in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, um sich dann auch über Bayern bis nach Österreich fortzusetzen. Das Jahrhunderthochwasser forderte über 150 Menschenleben und verursacht Schäden in Milliardenhöhe. Ganze Häuser und sogar teilweise Dörfer wurden von der Flut mitgerissen.
Obwohl deutsche Wetterdienste Niederschläge von bis zu 200 L pro Quadratmeter ankündigten und Überflutungen absehbar waren, wurde offensichtlich die Bevölkerung nicht ausreichend gewarnt. Unter anderem, weil keine Sirenen betätigt wurden, Hochwasserwarnungen über die Medien ausblieben und auch keine Lautsprecher-Durchsagen mehr erfolgten.
Deutschland: BBK zuständiges Amt für Zivilschutz
Für den Zivilschutz in Deutschland ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, kurz BBK, zuständig. Zu den Aufgaben des BBK zählt es, u.a. CBRN-Gefahren (chemische, biologische, radiologische, nukleare Gefahren, neuer Ausdruck für ABC-Alarm, atomar, biologisch, chemisch) zu erkennen, bei Katastrophen jeglicher Art, Pandemien (z. B. Coronavirus), Terrorangriffen, Krieg und vergleichbaren Ereignissen die Bevölkerung zu schützen sowie mit Lebensmitteln, Trinkwasser, Arznei, Energie usw. zu versorgen, wenn die regulären Versorgungswege abgeschnitten oder in Gänze unmöglich geworden sind. Daneben ist das BBK für Instandhaltung von Schutzbunkern verantwortlich, gibt in Gefährdungslagen und Angriffsfällen Nachrichten heraus und Weiteres.
Ebenfalls ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe für den Informationsfluss an die Bevölkerung zuständig. Nicht nur in Angriffsfällen und kriegerischen Auseinandersetzungen, sondern auch, wenn es um präventiven Zivilschutz geht, wie bei der Erarbeitung des neuen Zivilschutzkonzepts.
Zivile Verteidigung & Notfallvorsorge – Mangelware!
Update Januar 2020: Im Notfall kommen der Regierung neben der Notfallvorsorge zahlreiche Maßnahmen und Verantwortlichkeiten im Bereich Zivilschutz zu. Diese beziehen sich unter anderem auf:
- Warnung
- Baulicher Schutz
- Evakuierung
- Betreuung
- Schutz der Gesundheit
- Sammelschutz bei CBRN
Auch die Notversorgung (Ernährung, Trinkwasser, Medizinische Versorgung, Energie, Bargeld) zählt zu den Aufgaben des Bundes im Krisenfall. Wie wenig sich Bürger auf die staatliche Notfallversorgung verlassen kann, zeigt der Engpass an bestimmten Arzneimitteln. Meldungen über Lieferengpässen, wie sie dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BFarM) zu melden sind, verdeutlichen diese Misere.
Immer wieder kommt es beispielsweise bei Arzneimitteln mit dem schmerzlindernden Wirkstoff Asprin. Doch dies ist kein Einzelfall. Im Dezember 2019 waren 274 Medikamente nicht lieferbar. Die Morgenpost zitierte die Präsidentin der Apothekenkammer Berlin, Kerstin Kemmritz, wie folgt:
Die Zahl kann man fast verdoppeln.
Kemmritz Schätzung zufolge seien zwischen „500 und 600 Medikamente zeitweilig fort vom Markt. Viele der nicht lieferbaren Arzneimittel sind in der Engpassliste nicht erfasst, so die Auffassung der Expertin. Apotheken wurden rationiert, um Hamsterkäufe und damit eine zusätzliche Verknappung auf dem Markt zu vermeiden.
Im Krisenfall mangelt es also nicht nur an Schutzbunkern, sondern auch an elementaren Arzneimittel – insbesondere Schmerzmittel dürften fehlen. Wie weit ist der Zivilschutz gegeben?
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